Landau – Das Konzert

Die Jugendstil-Festhalle, die gute Stube Landaus, wurde in der Zeit von 1905-1907 erbaut. Vorausgegangen war 1904 eine anonyme Spende von 600.000 Mark (Goldmark), um, so hieß es in der seinerzeitigen Presseerklärung, der „Freude ein Haus und der Kunst ein Tor“ zu bieten. Erst 1925 wurde bekannt, dass die Spende, die 6/8 der Gesamtbaukosten deckte, von dem Ziegeleibesitzer August Ludowici gekommen war. Von 1997 bis 2001 wurde die Halle saniert und umgebaut, sowie mit modernster Technik versehen. Die eigentlichen Festsäle befinden sich in der 1. Etage. Heute werden neben kulturellen Veranstaltungen auch gesellschaftliche Anlässe und Firmenpräsentationen darin abgehalten.

Eingangsbereich

Eingangsbereich

Die Halle von Westen

Jugendstil-Ornamente

Die Festhalle von Süden

Blick zur Empore im großen Saal

Blick auf die Bühne im großen Saal

Blick in den kleinen Saal

Bei unserem ersten Stadtbummel, an der Festhalle vorbei, bemerkten wir die Ankündigung eines Konzertes der Villa Musica. Die Villa Musica ist uns durch ihre Auftritte im Augustinum wohl bekannt und so waren wir sofort einig, dass wir, wenn es noch Karten gibt, dieses Konzert besuchen wollten. Und wir hatten Glück, der große Saal war fast, aber nicht ganz ausverkauft, und wir erlebten an unserem letzten Tag in Landau einen großartigen Abschluss.

Die Künstler des Abends waren der Pianist Fazıl Say und Dozenten, sowie Stipendiaten der Villa Musica. Der 1970 geborene türkische Pianist und Komponist ist nicht nur ein international geachteter Künstler, der mit praktisch allen bekannten Orchestern schon gespielt hat, und in allen berühmten Konzertsälen zu Hause ist, (2009/10 war er „Artist in Residence“ an der Elbphilharmonie Hamburg) sondern auch ein, in der Türkei bekannter Bürgerrechtler.

Zuerst spielte Fazıl Say die „Klaviersonate A-Dur, KV 331“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791). Diese Sonate ist wohl eine der beliebtesten Sonaten Mozarts, was nicht zuletzt dem überaus bekannten dritten Satz geschuldet ist. Aber es ist keineswegs nur der „türkische Marsch“ der die Hörer mit einem Glücksgefühl erfüllt. Das „Andante grazioso“, ein sehr schönes, verzauberndes Variationsthema. Dann das „Menuetto“ das wechselvoll zwischen laut und leise, fordernd und zurücksteckend variiert. Und zum Abschluss das „Allegrino alla Turca“, ein Rondo. Mit seiner tollen pianistischen, aber auch gesten- und mimikreichen Interpretation setzte Say einen ersten Glanzpunkt. Der lang anhaltende Beifall war ihm fast lästig, weil er sich in seiner Konzentration merklich gestört fühlte.

Es folgte, von Ludwig van Beethoven (1770-1827), die „Klaviersonate f-Moll, op. 57“. Die auch Appassionata genannte Sonate, ein Begriff der von Beethoven geduldet wurde, ist voll Leidenschaft und Fazıl Say hat diese Leidenschaft auch in seinem Spiel zum Ausdruck gebracht. Mit dieser Sonate hatte Beethoven den Einfallsreichtum in ganz neue Sphären gelenkt. Nach Aussage seines Schülers Carl Czerny hat Beethoven selbst diese Sonate als seine größte, bis zu der Sonate op. 106, bezeichnet. Das „Allegro assai“, beginnt ruhig, anklopfend, fast düster um dann überraschend in ein Fortissimo zu wechseln. Im ganzen Satz ist sehr viel Unruhe aber auch Sehnsucht. Der zweite Satz, ein „Andante con moto“ ist eher sanft und zart um geradezu dissonant zu enden. Das Finale „Allegro ma non troppo – presto“, übergangslos vom zweiten Satz kommend, verlangt dann alles von dem Interpreten durch sein wahnwitziges Tempo. Der Beifall zwang Fazıl Say noch zweimal auf die Bühne zu kommen bevor er in die Pause konnte.

Nach der Pause stand das Klavierquintett „Yürüyen Köçk“ von Fazıl Say auf dem Programm. Dieses Quintett für Klavier und Streicher, 2017 entstanden, hat der Komponist dem Andenken von Mustafa Kemal Atatürk, dem Gründer der modernen Türkei, gewidmet. Der Titel bedeutet auf Deutsch „bewegtes Haus“ und geht auf Atatürk, seine Villa und eine Platane zurück. 1929 sah Atatürk vom Boot aus eine alte, sehr große Platane, die sich auf seinem Gelände in Yalova befand. Er ruhte unter dem Baum aus und befahl dann, im Schatten des Baumes eine Villa aus Holz zu bauen. Als er nach einem Jahr wiederkehrte hatten sich Äste der Platane bedrohlich auf das Dach der Villa gelegt. Der Gärtner bat um Erlaubnis den Baum beschneiden zu dürfen. Doch Atatürk ordnete an, die Villa auf Eisenbahnschienen zu versetzen. Am 8. August 1930 setzte sich die Villa in Bewegung und legte im Lauf von zwei Tagen insgesamt fünf Meter gegen Osten zurück. Dort fand sie ihren neuen Platz und steht noch heute neben dem Baum, dessen Äste nicht geopfert wurden.

Der Komponist und Pianist wurde an diesem Abend von Friedemann Eichhorn, Violine I, Larissa Cidlinsky, Violine II, Tobias Reifland, Viola und Alexander Hülshoff, Violoncello, begleitet. Eichhorn und Hülshoff sind gleichzeitig Dozenten der Villa Musica und Cidlinsky sowie Reifland sind Stipendiaten der Villa Musica. Das Quintett, aus vier Teilen bestehend, beginnt mit „Tranquillo“ (Aufklärung). Vögel singen und ruhige Musik weist auf das Neue hin. Plötzlich steigen die Geister der Vergangenheit auf, aber alles beruhigt sich und der Satz klingt entspannt aus. Ohne Pause geht es in den zweiten Teil über, „Pesante“ (Kampf gegen die Dunkelheit). Wilde Klänge und Rhythmen im 7/8-Takt symbolisieren den Kampf der modernen Türkei gegen dunkle Ideologien. Kraftvoll mit viel Pedaleinsatz stampfen die Klänge vorbei. Ganz am Schluss wird es wieder ruhig und melancholisch. Der dritte Teil „Tempo I“ beginnt. Ruhig fließen die Töne dahin und alte Erinnerungen werden wach. Leidenschaftlich und emotional setzt ein Hohelied auf das Leben ein. Im vierten Teil „Largo espressivo, Platane“ wird dann die Geschichte der Platane von Yalova erzählt. Ein Klaviersolo setzt süß und silbern klingend ein, bis sich das Haus in Bewegung setzt.  In einer Steigerung über fast 100 Takte legt das Haus seinen Weg zurück, bis wieder Ruhe einkehrt und mit den Tönen des ersten Satzes endet. Bei dieser Komposition, übrigens ein modernes Musikstück, das mir außerordentlich gefallen hat,  hatten die Interpreten alles zu geben.

Rauschender Beifall dankte den Künstlern die nach mehreren Herausrufen nochmals den letzten Satz als Zugabe spielten.

 

 

 

10 Gedanken zu „Landau – Das Konzert

  1. Ich beneide Sie! Fazil Say kenne ich natürlich, allerdings nur aus dem TV oder von der CD bzw. der DVD – ein hervorragender Pianist! Ebenfalls Alexander Hülshoff – ein hervorragender Cellist und Pädagoge.Und dann die beiden besonderen Sonaten – die A-Dur Sonate von Mozart und die Appassionata von Beethoven – ein ganz wunderbares Konzert – auch noch nach der Pause. Wie gut an Kemal Atatürk zu erinnern, in dieser Situation!

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